Fotozauber dank Verfall – eine Lost Places Liebeserklärung

Lost Places Fotoworkshop

Ich stehe ein bisschen auf shabby schick. Vielleicht auch auf morbiden Charme. Städte mit abplatzenden Fassaden, baufälligen Gebäuden und bunten Farben lösen bei mir eine Mischung aus Wohlbefinden, Glücksseligkeit und Fotobegeisterung aus. Allein deshalb bin ich wohl so Lissabon und dem dortigen Fliesendesign verfallen. Kein Wunder, dass ich schon immer mal an einem Lost Place Fotos machen wollte. Aber irgendwie hat es sich noch nicht ergeben. In meiner Heimat Karlsruhe gibt es da nichts, dass dieses Motiv hergeben würde. Hier gibt es vor allem Baustellenromantik oder auch Hafenkultur mit Industriedesign. All dieser Lost Places Zauber bleibt gefühlt dem Osten überlassen, wo man seit der Wiedervereinigung zwar werkelt ohne Ende, aber es eben immer noch diverse Gebäude gibt, die sich selbst überlassen wurden. Dank CEWE durfte ich einen solchen Lost Place in einer ehemaligen Heilstätte besuchen. Und die Fotoresultate daraus sind grandios.

Lost Places Fotoworkshop

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Fotoworkshop?! Wie, was, warum?

Regelmäßig veranstaltet CEWE Fotoworkshops. Eine Teilnahme kann man auf der facebook Seite oder im Forum gewinnen. Zu meinem großen Glück dürfen auch immer Blogger einen Workshop begleiten. Du kannst dir vorstellen, dass es für das Thema „Lost Places – die Farben des Verfalls“ viele Bloggerbewerbungen gab. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dass die Wahl auf meinen Blog fiel und ich dir heute vom Erlebten erzählen darf.

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Die Geschichte der Heilstätte

Blickt man in die Menschheitsgeschichte zurück, so gibt es immer furchtbare Krankheiten, die eine ganze Generation bewegen und die als Krankheiten mit besonders schlechten Heilchancen gelten. Im beginnenden 20sten Jahrhundert zählt die Tuberkulose – auch Schwindsucht genannt – als eine solche. Ihr Auslöser: schlechte Ernährung und mangelnde Hygiene. Jeder dritter Berliner stirbt daran. Da die Menschen aber in der beginnenden Industriekultur als Arbeiter gebraucht werden, beginnt man Heilstätten zu errichten, mit dem Ziel die Kranken zu betreuen und der Hoffnung, die Sterbequote zu senken. Die Heilstätten sind für damalig Zeit äußerst modern.

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Die noch seltene Stahlbauweise wird genutzt, um hübsche Häuser zu errichten, deren Anblick, wenn man aus der industriellen Berliner Stadt kommt, direkt an eine erholsame Landpartie erinnert. Es gibt Türmchen und Gauben, die nur dazu da sind, schön auszusehen. Die Krankenzimmer – egal ob Doppel- oder Achtbettzimmer – haben alle eine Südausrichtung, um viel Licht hereinfallen zu lassen. Keime können sich nicht fest setzen, da es überall runde Ecken gibt und gesprungene Fliesen gibt es ebenfalls nicht, da nur dreifach gebrannte Fliesen zum Bau verwendet werden.

Lost Places Fotoworkshop

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Doch nicht nur die Gebäude, auch die Pflege der Kranken ist auf Effizienz aus. Es herrscht das Ziel so viele Kranke wie möglich zu heilen. Gar nicht so einfach bei einer Krankheit, die die Meisten in den Tod reist.

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Es gibt klare Regeln:
  1. Essen: Schlingen war üblich. Doch eben das ist verpönt. Langsames Essen und gutes Kauen ist angesagt. Auch müssen die Patienten lernen mit Besteck zu essen, da die Hygiene ein wichtiger Heilungsbaustein ist. Sprechen beim Essen? Nein. Bitte nicht. Es hat Ruhe zu herrschen und die volle Konzentration gilt der Nahrungsaufnahme.
  2. Anwendungen: Im Badehaus gibt es 1926 eine Liste mit 32.000 möglichen Anwendungen von Moor- über Sand- bis zu sonstigen Bädern. Wenig beliebt sind die Kaltwasserbereiche. Drücken ist nicht. Denn auf einen Patienten kommen zwei Aufseher. Das Militär lässt grüßen.
  3. Strenger Tagesablauf: Der Tag besteht aus liegen, essen und ein wenig spazieren. Gerade das Liegen kann im Winter zur Tortur werden. Denn die Patienten haben im Außenbereich täglich sechs Stunden zu liegen und zu ruhen. Egal, ob es plus 30 oder minus 10 Grad sind.

Wenn das Licht die Geister vertreibt

Im Rahmen des Workshops darf ich drei Heilstätten-Gebäude mit dem erläuterten geschichtlichen Hintergrund besuchen und entdecken. Zwischen 1898 und 1926 wurden diese auf der „Männerseite“ errichtet. Geschlechtertrennung war damals noch üblich. Die Gebäude der Frauen stehen auf der Gegenüberliegenden Straßenseite. Fotobasis sind ein Krankengebäude, eine Badeanstalt sowie ein Verwaltungsgebäude. Für die Besichtigung steht mir ein ganzer Tag zur Verfügung.

Lost Places Fotoworkshop

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Faszinierend ist dabei, dass mit dem Lauf der Sonne die Räume ganz unterschiedlichen Stimmungen unterworfen sind. Besonders gut gefallen mir die Treppenhäuser des Lost Places, aber auch die Farben, die von den Wänden abplatzen. Gruselig ist es kein bisschen. Obwohl die Gebäude seit 20 Jahren leer stehen und immer mehr verfallen. Einzig der Wechsel von verschiedenen Temperaturen, selbst an Stellen, die nicht von der Sonne erreicht werden, ist manchmal leicht beunruhigend. Dennoch könnte ich mir nicht vorstellen, eine Nacht in einem solchen Gebäude zu verbringen. Da würde es mich wohl dann doch zu sehr gruseln. Schließlich sind die Gebäude ähnlich heutigen Krankenhäusern riesig und allein die Dimension würde bei mir für ein gewisses unheimliches Gefühl sorgen.

Lost Places Fotoworkshop

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Meine Fotoworkshop Learnings

Die Größe der Gebäude ist auch ein Grund dafür, dass ich lerne wie „anstrengend“ Fotografie sein kann. Sich den ganzen Tag zu konzentrieren und die beste Perspektive und den besten Blick auf etwas zu sehen, ist gar nicht so leicht, wie man denkt. Es Bedarf das Auge des Fotografen. Verglichen mit meinem Bürojob ist der Tag anstrengend. Wahrnehmen ist gar nicht so einfach wie man denkt. Vor allem, wenn man es nicht gewohnt ist. Dennoch macht es unglaublich viel Spaß, sich frei durch die Lost Places Räume zu bewegen. Sich vorzustellen, wie früher alles wohl war, und an jeder Ecke tolle Fotos zu machen, die kaum schöner sein könnten, weil die Location äußerst dankbare Motive hergibt.

Lost Places Fotoworkshop

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Ein anderes Learning ist die Fotografie von Menschen in solchen Gebäuden. CEWE hat netterweise Models engagiert, die wir in den Räumen fotografieren können, und zwar nicht irgendwelche, sondern unter anderem zwei Schwestern des Ordens der Perpetuellen Indulgenz: Daphne und Suzette, die statt farbenfrohem Verfall, menschliche Buntheit und Freude darstellen. Und auch ich stelle mich vor die Kamera und komme in den Genuss der unglaublichen Bilder für meinen einjährigen Bloggeburtstag.

Lost Places Fotoworkshop

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Die Location bleibt wegen Vandalismus geheim

Sicher möchtest du nach all den Informationen nun Wissen wo die Lost Places Location eigentlich steht. Ich darf es dir leider nicht sagen. Denn neben dem Zauber des natürlichen Verfalls ist der Ort leider auch geprägt von Vandalismus. Auf dem Gelände gibt es Horror-Partys, deren Sachbeschädigung gut und gerne mal im Wert von 130.000 Euro liegt. Das 1995 am Besten erhaltene Gebäude sieht heute abrissreif aus. Die Dächer der verschiedenen Gebäude sind voller Löcher, weil das Kupfer geklaut wurde und über 250 Pfähle von Zäunen, die aufgestellt wurden, um das Gebäude zu schützen, sind beschädigt worden. Ich verstehe nicht, warum Menschen so etwas tun. Sicher würde ich auch gerne mehr solcher Gebäude fotografieren. Aber warum zerstören, statt dankbar zu sein, dass es so etwas überhaupt zu sehen gibt?

Lost Places Fotoworkshop

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Du möchtest mehr Lesen?

Den Workshop am selben Ort gab es bereits im vergangen Jahr. Was Snoopsmaus und Travel on Toast daraus gemacht haben, kannst du auf den dortigen Blogs nachlesen. Auch einen Bericht von CEWE über den aktuellen Workshop gibt es online zum Nachlesen. Dieses Jahr waren als weitere Blogger Caroline von Shave the Wales und Petra von Passenger on Earth mit dabei, dort findest du bestimmt ebenfalls bald Beiträge zu unserem Workshop.

Hast du schon einmal einen Lost Place fotografiert? Wie hat es dir gefallen? Welchen kannst du mir empfehlen? Hinterlasse mir doch gerne einen Kommentar. Ich freue mich auch über Tipps per Mail.

Vielen Dank an CEWE für die Einladung zu diesem Workshop sowie den CEWE Mitarbeitern für die wundervolle Betreuung vor Ort, die nicht hätte besser sein können.

21 Kommentare

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  • Tolle Bilder. Ich hatte mich für den Workshop auch beworben, bin jetzt aber froh, dass du und andere gewählt wurden. Den Ort kenne ich nämlich in und auswendig :-)
    Ist wirklich total faszinierend dort und es lässt sich sooo viel entdecken. Und ja, stimmt: der Osten ist echt ein Lost Places Paradies :-)

    Liebe Grüße,
    Marc

    • Hallo Marc,

      dann hatte ich ja Glück, dass es mich getroffen hat. Für mich war es mein erster Besuch eines Lost Places und ich war ganz begeistert. Das könnte ich jetzt noch öfters machen, nur, dass es in Karlsruhe nicht so viel davon gibt.

      Liebe Grüße
      Tanja

  • Wow, Deine Bilder sind der Hammer! Ich finde Lost Places so klasse – und bin sehr traurig, dass nicht verraten werden darf, wo dieser ist. Ich würde auch wahnsinnig gerne dort einmal Bilder machen.
    Ich bin auf jeden Fall sehr beeindruckt, was Du daraus gemacht hast. Hut ab!
    Lg Wibke

    • Hallo Wibke,

      vielen lieben Dank für die Komplimente! Der Ort schließt gerade, daher wäre die Info wenig hilfreich. Aber schau mal, es gibt Anbieter bei denen man so Fototouren buchen kann. Da war früher dieser Ort auch dabei :-) Hoffe, dass dir das vielleicht hilft.

      Liebe Grüße
      Tanja

  • Liebe Tanja,

    super schöne Fotos und coole Story :) Eines was mich an dem Workshop mit am meisten fasziniert hat, ist dass ca. 20 Menschen von den gleichen Räumen und Fluren Fotos gemacht haben und doch jedes Foto und die damit verbundene Atmosphäre einzigartig geworden ist :)

    Sehr schön! und super schön euch persönlich getroffen zu haben! Ich hoffe, dass wir das noch öfter schaffen!

    Lasst es euch gutgehen!

    LIebe Grüße aus Bali,
    Petra

    • Liebe Petra,

      vielen Dank :-) Wir würden uns auch sehr über ein Wiedersehen freuen. Deine positive Art lässt mich immer gleich breit Lächeln, wenn ich an dich denke.

      Stimmt, die unterschiedlichen Eindrücke von der gleichen Location waren sehr überraschend und toll.

      Viele liebe Grüße nach Bali
      Tanja

  • Ich glaub ich weiß, wo das ist hehehe
    Auch etwas, das ich gerne endlich mal tun möchte, lost place! Auf instagram habe ich einen Fotografen aus Detroit, diese Stadt ist in vielen Vororten echt ein lost place geworden und er fängt immer ganz abgefahrene und auch leicht beängstigende Bilder ein. Das du auch noch dazu eingeladen wurdes ist ein riesen Glücksgriff und deine Fotos defintiv echt Bombe! Mir gefallen auch die Happy Birthday Fotos dazwischen :-)

    • Hallo Chrissy,

      mit der Einladung hatte ich wirklich sensationell Glück. Es war einmalig. Wenn man google erkennt man den Ort schnell wieder :-) Bildersuche halt ;-) Den Fotografen musst mir mal zeigen. Klingt gut. Ich bin jetzt ein richtiger Fan dieser Art von Fotografie geworden und freu mich sehr über deine Komplimente, wobei die meisten Bilder wie so oft von Stefan meinem Freund sind :-) Die Happy Birthday Fotos sind mir auch sehr ans Herz gewachsen. War eine tolle Kampagne und ich überlege, ob ich daraus Grußkarten für Freunde mache ;-)

      Alles Liebe
      Tanja

    • Fotos sind halt immer Subjektiv. :-)

      Danke, dass du sie aber bis zum Kommentarfeld angesehen hast.

      Viele Grüße
      Tanja

  • Also ich finde die Bilder zum größten Teil sehr gut! Erstens weil man einach sieht, dass du dir bei den allermeisten Gedanken dazu gemacht hast, zweitens weil es keine (oder wenn, dann nicht wirklich auffällige) HDRs sind und drittens, weil viele Detail-Bilder dabei sind und nicht einfach nur kurz in der Totalen alles eingefangen wurde.

    Habe zwar schon so ziemlich jede Art von Lost Place vor die Linse bekommen, die Heilstätten aber noch nicht. Würde ich ja schon gerne mal sehen… :D

    • Hallo Finn,

      dann drücke ich dir die Daumen, dass du da auch mal vorbeikommst und danke für das Feedback zu den Fotos. Es ist immer schön, so etwas zu lesen!

      Ganz liebe Grüße
      Tanja

  • Tolle Bilder!!!
    Sind das die berühmten Heilstätten von Belitz?
    Wo kann man so eine Fototour buchen bzw. sich bewerben?
    Toller Reiseblog.
    Grüße,
    Matthias

    • Hallo Matthias,

      ganz arg lieben Dank. Diese Tour wurde von CEWE organisiert, da konnte man bei einem Preisausschreiben teilnehmen. Kürzere Touren könntest du bei Go2Know finden.

      Den Ort darf ich leider nicht verraten #lostplacesehrenwort :-)

      Liebe Grüße
      Tanja

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