Warum Erwartung und Realität im Urlaub oft zwei paar Schuhe sind
Serpentinen an Berghängen sind toll, vor allem, wenn es die Passstraßen steil nach oben geht. Auf dem Weg nach Juzcar gibt es keine schönen Serpentinen. Es ist einfach nur eine enge, kurvige Straße, die von Baustellen unterbrochen wird, und auf der vor mir ein langsamer, wirklich langsamer Ford Focus entlang kriecht. Überholen ist natürlich nicht. Laut Navi geht das sechs Kilometer so. Oh je. Aber ich freue mich auf das Ziel. Juzcar. Statt typischem weißen Dorf, soll mich hier ein blaues Dorf empfangen. Auf der Fahrt habe ich ein ganz klares Bild vor Augen, was mich erwartet. Je nach Reisevorbereitung kommen die Bilder automatisch. Doch nicht immer entsprechen die Erwartungen der Realität. Wie es mir und meinen Erwartungen in Andalusien und vor allem in Juzcar ging, das kannst du jetzt erfahren.
Juzcar – das Schlumpfdorf
Irgendwann kommt auch der langsamste Ford Focus Fahrer an seinem Ziel an und damit kann auch ich endlich Juzcar entern. Direkt bei der Dorfeinfahrt gibt es einen Parkplatz. Dort stelle ich das Auto ab. Die blauen Häuser sind schon irre und begeistern mich direkt. Was treibt ein Dorf dazu, welches ganz schön in der Pampa liegt, all seine Häuser blau anzumalen? Die Antwort ist ganz einfach: eine Werbeaktion der Produktionsfirma des Filmes „Die Schlümpfe in 3D“. Die Pitufos – wie die Schlümpfe auf spanisch liebevoll heißen – sind der Renner in Juzcar. Man findet sie auf Wände aufgemalt oder als überlebensgroße Plastik. Die verspielteren haben Blumentöpfe mit Aufdrucken von Schlumpfmotiven auf den Fensterbänken stehen. Es gibt ein Schlumpfhotel und Schlumpfspielplätze.
2011 verwendete die Produktionsgesellschaft über 9.000 Liter Farbe, um über 200 Häuser in Blau zu tünchen. Die Besucherzahlen stiegen und das 60 Kilometer von der Küstenstadt Marbella entfernte Dorf, war in der Weltpresse zu finden. Auch unsere Zeitungen wie Die Welt, Merian und Co. berichteten darüber.
Juzcar. Meine Erwartungen:
Klar, blaue Häuser waren die Haupterwartung. Doch zu blauen Häusern gehören natürlich auch Menschen: Bewohner und Touristen. Am besten allesamt fröhlich, die auf dem Schlumpfspielplatz toben, die blaue Getränke trinken und viel Spaß haben. Irgendwie schwebte mir eine Mischung aus Freizeitpark und Dorffest vor.
Juzcar. Die Realität:
Allein diese Autofahrt. Insgesamt fuhr ich 1.060 Kilometer auf dem Andalusien Road Trip. Aber die sechs Kilometer zwischen Hauptstraße und Dorf kamen mir wie eine kleine Ewigkeit vor. Wobei da der Ford Focus Fahrer sicher die Hauptschuld trug und auf dem Rückweg das Navi. Denn das schickte mich erst mal ein Dorf weiter – durch Juzcar durch -, um dort festzustellen: „Bitte wenden Sie jetzt.“ Das war ein bisschen wie in einem Film, bei dem die Schauspieler einen Ort nie wieder verlassen können.
Zurück zu den erfüllten oder unerfüllten Erwartungen: Neben dem Parkplatz fand sich direkt der Schlumpfspielplatz und ein geschlossenes Schlumpfhäuschen – das wohl mal Touristen-Info, Verkaufsstand oder sonstiges war. Ich begab mich auf einen Spaziergang durchs Dorf. Als nächstes kam ich an einem geschlossenen Schlumpfhotel vorbei. Vor dem blauen Gebäude mit Blumen, das eine gewisse Fröhlichkeit ausstrahlte, hing traurig das Schild „cerrado“ – geschlossen. Menschen begegneten mir bis dahin keine. Weder Einheimische noch Touristen. Als Fotomotiv fand ich das Dorf wie erwartet zum Glück genial. Einige Straßenzüge weiter landete ich vor einem Gasthof. Immerhin offen. Draußen saßen zwei Pärchen, die mich von oben bis unten bemusterten. Drinnen war es leer. Die Getränke waren leider nicht blau und irgendwie lud mich nix ein, dort einzukehren. Also zog ich weiter.
Schon da war ich irgendwie unbefriedigt. Der Streifzug durch die Straßen führte mich schließlich zu einem Kiosk. Voller Schlumpf-Fan-Artikel zu allerdings nicht ganz günstigen Preisen. Da es dort auch Eis gab und mir die Sonne auf den Kopf schien, war mir das sehr Willkommen. Schlumpfeis oder anderes blaues Eis gab es übrigens nicht. Einen fröhlichen Kioskbesitzer leider auch nicht. Dieser verräumte erst mal Ware und ignorierte mich tapfer. Ich wollte schon wieder gehen, als er mich endlich eines Blickes würdigte. Mein Eis schleckend, ging ich zurück zum Parkplatz. Ein Cabrio voller sprachloser Touristen düste an mir vorbei. Und ich machte mich auf, dass Schlumpfdorf wieder zu verlassen. Ein bisschen enttäuscht war ich schon, obwohl das Dorf blau und voller Schlumpfmotive war, fehlte der Geist, der ebenso dazu gehört. Im Nachgang frage ich mich, ob das Schlumpfdorf am Wochenende oder am Morgen oder frühen Abend oder an kühleren Tagen genauso verlassen und leer ist. So wie es war, tut es mir Leid für das Dorf. Das hatte bestimmt von der Werbung ganz großes erwartet und schien nun so bedeutungslos wie vor den Schlümpfen.
Ronda. Meine Erwartungen :
Auf dem Weg nach Malaga, und leider Richtung Heimflug, war Ronda einer meiner letzten Zwischenstopps. Bis dahin hatte ich eine ganze Menge Urlaubsprogramm hinter mir, vom Weltkulturerbe der Alhambra über Cordoba und Sevilla. Alles berühmte Orte, die zwar gut besucht, aber eben noch nicht in Hauptsaison waren. Entsprechend war es nirgends überfüllt, sondern überall sehr angenehmen zum schlendern und zum entdecken. Von Ronda kannte ich nur die berühmte Lage auf dem Felsplateau und die Brücke, die das Felsplateau mit dem anderen Ortsteil verbindet. Ich wusste, dass Ronda eine ältere Geschichte und eine schöne Altstadt hat. Entsprechend freute ich mich auf den Gassenbummel und die Stadt in der 34.000 Einwohner leben.
Ronda. Die Realität:
Schon bei der Einfahrt nach Ronda war direkt ein Unterschied zu allen davor besuchten Städten zu erkennen: Es war voll! Die komplette Stadt schien mit Touristen überbevölkert zu sein. Und das an einem normalen Donnerstag. Immerhin hatte ich im Navi einen äußerst seltsamen Parkplatz ausgewählt, der mich erst mal quer durch Ronda trieb und mir schöne Aussichten bescherte, sofern ich mich nicht auf die Touristen konzentrierte, die auch die Straße bevölkerten. Als ich dann final das Auto in einem Parkhaus geparkt hatte und mich zu Fuß aufmachte, war es mit den Touristenströmen kein bisschen besser. Die Restaurants waren bis auf den letzten Platz befüllt, oft, weil Busgruppen zusammengeklüngelten. Ich fühle mich ehrlich gesagt nicht sehr wohl.
Doch half alles nichts, ich wollte zumindest zur Neuen Brücke, der Puente Nueva. Diese wurde im späten 18. Jahrhundert gebaut und ist mit ihren 98 Metern Höhe ziemlich beeindruckend. Sie überwindet die Schlucht El Tajo, die der Fluss Guadalevín geschaffen hat und Ronda in Alt- und Neustadt teilt. Die Brücke ist das Wahrzeichen in Ronda und entsprechend ist es drum herum ziemlich voll. Ich gönne mir seitlich in einem kleineren Lokal eine Cola. Doch es windet dort und ist ungemütlich. Während der Cola lerne ich ein Pärchen kennen, dass mit dem Auto gerne einen Spot suchen möchte, von dem man von unten zur Brücke und zur Stadt hoch fotografieren kann. Da meine App eine Straße kennt, die einen solchen Spot vermuten lässt, entschließe ich mich mitzufahren und mich dann wieder zu meinem Auto zurück bringen zu lassen. Der Weg ist ganz schön winkelig. Glücklicherweise kommt auf der schmalen Straße kein Gegenverkehr. Am besten Fotopunkt stehen noch zwei weitere Autos. Dort unten ist der ideale Ort für ein kleines Picknick und ich kann dir den Trip dahin sehr ans Herz legen. Allein, weil es dort so herrlich ruhig und fast ohne andere Touristen ist.
Mein Ronda Fazit:
Zuerst war ich von Ronda sehr genervt, nachdem Picknick dort unten aber auch wieder versöhnt. Das Ronda voll sein wird, hätte ich mir eigentlich auch im Vorfeld denken können. Für alle Strandurlauber bietet Ronda die perfekte Möglichkeit mit einem kleinen Tagesausflug, das Strandidyll für ein bisschen Kultur – immerhin gibt es die ersten Aufzeichnungen zu Ronda aus der Altsteinzeit – zu unterbrechen. Es war OK, dass ich mal da war. Sollte ich Andalusien noch mal besuchen, würde ich einen Bogen darum machen.
Wär doch eigentlich auch total langweilig, wenn die Realität immer den Erwartungen entspricht!
Es kommt ja öfter vor, dass sich das gewählte Ziel als Reinfall entpuppt, aber ich sag mir immer „Der Weg ist das Ziel“ und die Besten Dinge entdeckt man meistens eh da wo man sie nicht vermutet.
Aber schon krass mit dem blauen Dorf… für Geld macht man halt alles! :D
Schöner Artikel – Grüße, Marc
Das mit der Langeweile stimmt wohl, mich überrascht es dann aber doch immer was man sich so ausmalt und was dann Realität ist. Das mit den überraschenden Entdeckungen stimmt absolut. Vejer war ja mein Nr. 1 Ziel und das ist eher zufällig über die Reiseblogger creativ elena nur auf der Liste gestanden …
Schön, dass dir der Beitrag gefallen hat *rot werd*
Sonnige Grüße
Tanja
Ja, so ist das mit den Erwartungen ;-)
Wenn man so seine Vorstellungen im Kopf hat und vor Ort ist es dann ganz anders oder „fühlt“ sich anders an, als man gedacht hat. Ich muss sagen, mir hat Ronda damals sehr gut gefallen. Aber ich war im November da, das Wetter war ein bißchen grau und daher war überhaupt nicht viel los. So konnte ich in aller Ruhe durch die Gassen schlendern. Manchmal sollte man Orten auch eine zweite Chance geben. Beim nächsten Mal sieht es vielleicht ganz anders aus – was die Erwartungen angeht, die eigene Tagesform oder die Gesamtsituation :-)
Liebe Grüße,
Marion
Hallo Marion,
also sollte ich mal mehr zur Off Season in Andalusien sein, dann gebe ich allein wegen dir dem guten alten Ronda eine zweite Chance. Vielleicht war es auch einfach nicht mein Tag. Beide Erlebnisse waren am selben Tag. Das habe ich davon, dass ich immer plane. Da haben es die Dinge, die nicht so groß aussehen dann manches Mal leichter :-)
Viele liebe Grüße
Tanja
ich musste eben ziemlich lachen, denn normalerweise fahre ich in meinem ford focus auf genau dieser strasse schimpfend hinter schneckenmäßig-langsamen touristen her. oder noch schlimmer: hinter valiumösen bussen voller touristen. juzcar ist nämlich tatsächlich am wochenende überfüllt. und glaub es oder nicht: für mich, die ich hier lebe (gott sei dank nicht direkt im dorf) ist dieser schlumpfkack ziemlich entnervend. konnte ich früher gemütlich am samstag mittag im toricelli tapas essen, warten jetzt horden von menschen (erwachsene mit schlumpfhut!)auf einen sitzplatz :)
und hier stellt sich mir immer wieder die selbe frage: wieso würde ich mir so etwas ansehen wollen?
im nachbardorf kann man wirklich etwas andalusisches flair einfangen und auch noch gut speisen, oder durch juzcar durch und bergab zum fluss um ein bisserl schwimmen zu gehen….
ronda ist btw. auch ganz wunderbar wenn man weiss, wohin, allerdings nicht in der hauptsaison, da ist es wirklich etwas zu überlaufen….
aber ist es nicht immer so? als tourist bleiben einem doch oft die wirklich interessanten und authentischen dinge verborgen…
hasta prontito ;)
Hallo Nell,
danke für deinen Kommentar. Der ist ja wunderbar. Im Ernst, da sind dann wirklich Menschen mit Schlumpfhut? Ich hätte das schon gerne gesehen. Klingt doch äußerst unterhaltsam :-) Das dies als Einheimischer eher störend ist, kann ich mir aber auch gut vorstellen. Sollte ich noch mal in die Region fahren, schreibe ich dich an. Mir scheint, dass da äußerst gute Tipps auf Reisende warten :-) Vielleicht magst dazu auch mal einen Gastbeitrag hier auf meinem Blog schreiben?
Viele liebe Grüße
Tanja