Sperrstunde oder so habe ich Griechenland in Corona-Zeiten erlebt

Sperrstunde.

Es ist kurz nach Mitternacht als passiert, womit ich dieses Jahr nicht mehr gerechnet habe. Ich verlasse nach einem Flug einen Flughafen.

Schauplatz Athen.

Groß anders als vor Corona-Zeiten fühlt es sich nicht an.

Auch vom Flug kann ich wenig Drama berichten. Dank Karlsruher Mini-Flughafen mit Aufenthalts-Gastro-Bereich im Freien war das Tragen der Maske erträglich. Beim Flug in meiner Nähe keine Maskenverweigerer. Nur beim Ausstieg frage ich mich, warum man in Gängen kuscheln muss, aber gut, man muss ja nicht mitmachen. Wir warten, bis auch wir entspannt aussteigen können.

Flughafen Athen

Auch der Flughafen Athen kommt dezimiert daher. Weniger Fluggäste, weniger Gastro …

In Athen profitieren wir vom geringeren Flugverkehr. Trotz Billigflug dürfen wir ins Hauptterminal. Die Wege, die ich ewig lang in Erinnerung habe, sind super kurz, wir sind schneller Angekommen, als ich zu erwarten gehofft hätte. Also Fliegen geht schon. Ich halte es im Nachgang immer noch für den Moment an dem man sich am Wahrscheinlichsten ansteckt, aber das gleiche würde ich auch für die Deutsche Bahn und den ÖPNV sagen.

Nach dem Flug mache ich mich auf zum Taxi-Stand. Die U-Bahn fährt eh nicht mehr. Die verweigere ich aber auch tatsächlich bei dieser Griechenlandreise. Beim Taxi wird der Nachttarif fällig. Wegen der Sperrstunde? Nein. Ist immer so. Und Taxi und Corona? Die Regelung in Griechenland: Taxifahrer und Gast tragen Maske. Das ist nicht viel anders als bei uns.

Doch dann: Sperrstunde.

Rund eine dreiviertel Stunde später biegt der Taxifahrer in die Plaka ein. Die Altstadt, die zu Füßen der weltberühmten Akropolis liegt. Es ist kurz vor eins und die Bürgersteige sind quasi hochgeklappt. Sperrstunde. In Athen und auch auf der Insel Poros, die wir später besuchen und wahrscheinlich noch in anderen Orten, mit denen ich mich nicht so tief auseinandergesetzt habe, weil ich sie nicht besucht habe, gilt eine Sperrstunde. Um zwölf Uhr werden die Bürgersteige hochgeklappt.

Als ich aussteige, höre ich in der Ferne den Hall meiner Erinnerung. Ich höre eine Freundin und mich lachen. Wir sitzen mit anderen Griechen auf einem Athener Bürgersteig, der belagert ist mit den wackligen Holzstühlen eines urigen griechischen Lokals. Es ist November und wir freuen uns, dem kalten Deutschland ein Schnippchen geschlagen zu haben. Wir lernen an diesem Abend, dass Ouzo-Gläser wohl eine deutsche Art sind. Bei unserer Bestellung kommt der Ouzo gleich in der 200 ml Flasche. Kein Problem. Noch gibt es keine Sperrstunde. Es ist November 2019 und von Corona haben wir noch nie etwas gehört. Ach Erinnerung, wie schön du manchmal bist!

360 Cocktailbar Athen am Monastiraki Platz

Ausgehen, wie hier auf der Dachterasse der 360 Cocktailbar in Athen am bekannten Monastiraki Platz ist weiter kein Problem. Nur schließen die Lokale um Mitternacht. Auf dem Bild oben sind zu sehen: ich, Synke von „Synke unterwegs“ und Marion von „Escape from reality“

360 Cocktailbar Athen am Monastiraki Platz

Zurück zur Sperrstunde.

Als ich gegen ein Uhr in der Nacht in der Plaka auf dem Balkon des Hotels stehe, blicke ich auf die Gasse. Vereinzelt laufen noch ein paar Menschen durch die Gassen. Welche, die wohl einen guten Abend hatten, und andere, die mehr aussehen, als ob sie von der Arbeit kommen.

Alle auf dem Heimweg, weil: Sperrstunde.

Es ist unwirklich. Eine Weltstadt, die sich einfach ausgeschalten hat. Und irgendwie ist es schön. Friedlich. Ich mag vieles nicht, was Corona bedeutet. Alleine, weil ich meine Reisefreiheit vermisse.

Aber Sperrstunde. Irgendwie hat sie was. Vor allem an so einem Ort.

Im Verlauf der Reise werde ich sogar noch mehr von der Sperrstunde profitieren: Ich bin ja als Seglerin mit Argos Yachtcharter und Dream Yacht Charter unterwegs und meine schlimmsten Segelnächte habe ich in lauten Häfen verbracht. Disko-Musik bis nachts um vier, während man sich im schippernden Camper die Ohropax zurecht dreht. Und leider können die gar nicht so gut sitzen, dass die laute Musik nicht trotzdem an das Ohr dringt. Unser Hafen auf der Insel Poros könnte so ein Hafen sein. Die Promenade ist voller Restaurants und Bars. Doch Sperrstunde. Ich neige ja dazu, die Vorteile von Corona zu sehen, wahrscheinlich ist das auf dieser Reise einer der größten.

Die Sperrstunde ist für mich irgendwie wie ein Spiegel dieses Corona-Jahres. Die Verdeutlichung der Veränderung ohne das Ausmaß eines Lockdowns. Etwas, mit dem man sich arrangieren kann. Aber auch etwas, über das man sich aufregen kann. Jetzt kommt auch die nächtliche Sperrstunde in Deutschland. Zumindest in Corona-Hotspots. Ich bin gespannt, was sie hier mit uns macht.

Die Sperrstunde macht mir auch immer wieder deutlich, wie unfassbar es ist, dass ich 2020 wirklich in Griechenland gewesen bin. Dass es dazu kam, war wohl mehr Zufall als Glück.

Ich sehe mich noch beim Türken sitzen. Das Telefon klingelt. Segeln in Griechenland. In drei Wochen soll es losgehen. Kommst du mit? Ach du je. Ich? Griechenland? 2020? Echt jetzt? Wäre nicht eine gute Freundin ebenfalls beim Segeln dabei gewesen, ich hätte die mir selbst gesetzte Sperrstunde was das Fliegen angeht, weiter durchgesetzt.

Jetzt bin ich so froh, dass ich gereist bin. Dass da in meinem Kopf Puzzlestücke an Erinnerungen sind, die ich zusammensetzen kann. Die mir ein Weltverständnis geben, auf das ich immer Stolz war und das ich begonnen habe, sehr zu vermissen.

Muss man 2020 reisen? Wohl nicht.

Akropolis Athen mit Pantheon Tempel

Ein besonderer Moment im Corona-Jahr: Mein erstes Mal Akropolis. Hier mit Marion vor dem Pantheon-Tempel. Foto: Synke unterwegs

Ich sehe mich nämlich auch noch auf der Akropolis stehen und erfahren, dass eine Freundin Covid-19 hat und den Geschmacks- und Geruchssinn verloren hat. Wo sie es her hat, bis heute unklar. Klar, dass da das Reisen ein sehr vermeidbares Risiko ist:

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Ein kleines Lebenszeichen aus der Quarantäne. Es geht allmählich aufwärts ? Zur kurzen Aufklärung, wer es in der Story nicht sah: Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen erkrankte ich plötzlich an Covid19 und es hat mich ziemlich umgehauen – am Wochenende war ich noch im Krankenhaus und erhielt Sauerstoff. Nach wie vor habe ich Symptome, fühle mich krank und abgeschlagen. Ich verlor meinen Geschmacks- und Riechsinn. Es kann wohl Wochen bis Monate dauern bis diese Sinne zurückkehren.   Ich dachte stets, sollte mich Covid erwischen, werde ich aufgrund meiner körperlichen Fitness wahrscheinlich kaum Symptome haben. Ich pflege einen harmonischen und gesunden Lebensstil aus Sport, gutem Essen, Meditation, Bewegung und rauche nicht. Noch vor 3 Wochen wurde mir Blut abgenommen und die Werte waren allesamt gut. Kein Thema wie Sars-Cov-2 hat zu meinen Lebzeiten ein Land und eine Gesellschaft dermaßen gespaltet. Ich selbst entschied mich seit der Ausbreitung von Covid19 mein Umfeld zu schützen. Was manche als Panikmache abtun oder ins Lächerliche ziehen, ist für andere existenziell – wie z. B. für meine Großmutter. Selbst an mir als gesunder Mensch ging der Virus nicht spurlos vorbei. Meine Handlungsmotivation resultiert aus Solidarität, Verantwortungsbewusstsein und Rücksichtnahme gegenüber mein Umfeld. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ Es geht nicht darum, für wie fit der Einzelne sich hält – sondern welchen Gefahren man die Schwächsten in unserer Gesellschaft aussetzt. Viele Infizierte bleiben unentdeckt und stecken ihr Umfeld an, ohne es zu wissen – so wie in meinem Fall. Geht respektvoll, rücksichtsvoll, solidarisch und verantwortungsbewusst miteinander um ?

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Aber tatsächlich hat es mit meiner Seele etwas Gutes gemacht. Sie ist jetzt voller glücklicher Erinnerungen, das ist ein schönes Gefühl. Wobei sich das natürlich auch immer leicht sagen lässt, wenn es gut ausging.

Und Griechenland und Corona?

Tatsächlich habe ich nicht viel festgestellt, dass hier nicht auch wäre. Tische mit Abstand. Maskenpflicht, mal Pflicht, mal aus Höflichkeit in vollen Bereichen. Desinfektionsmittel. Kontaktverfolgung gab es allerdings keine.

Was mich fasziniert hat, war eine Benachrichtigung, die an alle im griechischen Netz eingewählten Handys ging. Ich bin mir sicher, ich hätte sie auch auf meinem Handy gesehen. Kann sie aber jetzt nicht mehr finden. Fast schade. Als sie kam, war ich zu sehr im Urlaubsmood. Wir saßen gerade beim Abendessen in einer Bucht, als die Handys laut bimmelten. Was für ein Alarm. Das Urlaubsgefühl wollte ich mir in dem Moment einfach nicht nehmen lassen. Zu schön war es, endlich wieder welchen im Ausland zu erleben.

Schwimmen am Kap Sounion in der Bucht des Poseidontempels.

Wer will sich schon beim Buchtenzauber stören lassen? Hier schwimmen Marion und ich am Kap Sounion zu Füßen des Poseidontempels. Foto: Synke unterwegs

Was noch anders ist, ist die Einreise. Für Griechenland braucht man einen QR-Code, um Einreisen zu dürfen. Man registriert sich und gibt an, wo man nächtigen wird. Der Code wird in der Nacht des Flugtages geschickt. Im Internet heißt es, dass man bei einer „4“ entspannt einreisen kann (die 4 hat wohl aber eine andere Zahl abgelöst). So war es bei uns auch. Jemand aus unserer Reisegruppe hatte eine „7“ und wurde prompt getestet.

Und Griechenland und ich? Tja, falls sich eine Reisebegleitung für November findet. Ich habe noch ein paar Tage Urlaub übrig. Ich würde am liebsten wieder und sofort. Natürlich falls wir dann überhaupt noch fliegen dürfen und wir nicht von den Griechen auf eine Sperrliste gesetzt werden. Oder umgekehrt.

Planung und Corona. Wenn etwas dieses Jahr nicht zusammenpasst, dann wohl diese Kombination.

Da passt die Sperrstunde wohl schon besser zu diesem verrückten Jahr.

Titelbild: Danke an Synke von „Synke unterwegs“ für das Fernweh-Bild. Der Moment des Abschieds unserer Segelreise. Ich würde sagen, ich habe Zielen schon mit mehr Begeisterung entgegengeblickt …

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